Klarnamenpflicht nach DS-GVO und TTDSG
Klarnamenpflicht nach DS-GVO und TTDSG

Klarnamenpflicht nach DS-GVO und TTDSG

Der BGH hat eine Klausel in den Nutzungsbedingungen von Facebook gekippt, wonach ein Nutzender des Social Networks grundsätzlich den Namen verwenden muss, den sie oder er auch im täglichen Leben gebraucht. Dieser pauschale Passus ist nach Ansicht des Gerichts unwirksam. Die Entscheidung gilt jedoch nur für so genannte Altfälle, da der BGH nach der bis 30. November 2021 geltenden Regelung des TMG geurteilt hat. Dieser Beitrag beleuchtet die Hintergründe der Klarnamenpflicht und wirft einen Blick auf die Frage, ob diese Entscheidung des BGH auch für die aktuell geltende Rechtslage nach Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) und Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG) tragfähig ist.

Dieser Beitrag von Dr. Maxi Nebel ist auch erschienen in ZD-Aktuell 2022, 01077.

Justizia

Die Pflicht zur Angabe des Klarnamens in Social Networks, auf die vor allem Facebook seit jeher besteht, bot für Nutzende ebenso lange Anlass, diese möglichst kreativ zu umgehen. Den zugrundeliegenden Nutzungsbedingungen des Social Networks hat der BGH nun eine Absage erteilt. Der folgende Beitrag definiert zunächst die Klarnamenpflicht, gibt einen kurzen Überblick über mögliche Vor- und Nachteile einer Klarnamenpflicht und beleuchtet sodann die aktuelle Entscheidung des BGH. Im Anschluss wird der Frage nachgegangen, ob diese Entscheidung auch auf die aktuelle Rechtslage zu DS-GVO und TTDSG übertragbar ist und schließt mit einem kurzen Fazit.

1          Was bedeutet Klarnamenpflicht?

Die Pflicht zur Angabe des Klarnamens umfasst zwei Konstellationen: Entweder werden Benutzername und realer Name nicht getrennt erhoben und sind damit identisch, oder es kann der Benutzer­name zwar ein Pseudonym sein, der reale Name muss dem Anbieter gegenüber aber trotzdem offenbart werden. Die Klarnamenpflicht greift intensiv in die informationelle Selbst­bestimmung und das Recht auf Datenschutz ein, denn durch die Angabe des echten bürgerlichen Namens gegenüber einem weltweit agierenden Social Network erhöht sich die Gefahr, durch die Möglichkeit einer eindeutigen Identifizierung die Kontrolle darüber zu verlieren, wer was über die betroffene Person weiß. Aber auch die Meinungs- und Informationsfreiheit der betroffenen Person ist gefährdet, wenn diese aus Angst vor Nachteilen aufgrund der erzwungenen Angabe ihres Klarnamens etwa auf Meinungsäußerung oder Informations­beschaffung verzichtet.

2          Pro und Contra

Beliebtestes Argument der Anbieter von Social Networks für die Klarnamenpflicht ist, dass eine pseudonyme – geschweige denn eine anonyme – Nutzung der Plattform durch die betroffene Person für die Anbieter unzumutbar sei. Begründet wird dies unter anderem mit der Funktion von Social Networks, für die ein Auffinden und Identifizieren der Nutzer anhand des Klarnamens eine essentielle Eigenschaft sei, ohne die die wesentlichen Funktionen von Social Networks nicht durchgeführt werden könne (Bender K&R 2013, 218 (219); Heckmann, Internetrecht/Heckmann, 4. Aufl. 2014, Kap. 9 Rn. 294.). So sei eine Vernetzung der Nutzer nur möglich, wenn diese anhand ihres Klarnamens identifizierbar seien, ohne die die Social Networks nicht ihre bedeutende gesellschaftliche Rolle entwickelt hätten. Außerdem führe dies durch die soziale Kontrolle zu einem gesteigerten Maß an Sicherheit der Nutzenden, ihres Persönlichkeitsschutzes und des Jugendschutzes, da weniger Nutzende geneigt seien, beleidigende und rechtsverletzende Äußerungen zu tätigen, wenn die Möglichkeit der Rechtsverfolgung gesteigert wird (Bender K&R 2013, 218 (219); Schliesky/‌Hoffmann/‌Luch/‌Schulz/Borchers, Schutzpflichten und Drittwirkung im Internet, Das Grundgesetz im digitalen Zeitalter, 1. Aufl. 2014, 162; Lorenz VuR 2014, 83 (89) spricht von „Abschreckungsfunktion“; Konrad K&R 2018, 275 (276); Griess, Klarnamenspflicht im Internet – verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen einer staatlichen Schutzpflicht, 2016, S. 16 f. spricht von „Enthemmung durch Anonymität“; ausführlich zu Pro- und Kontra-Argumenten der Klarnamenpflicht Kluge DSRITB 2016, 107 (108 ff.)). Anonymität im Netz habe ein erhebliches Missbrauchspotenzial durch die Verbreitung falscher Tatsachen, Beleidigungen oder die koordinierte Einflussnahme auf die Meinungsbildung (Griess, Klarnamenspflicht im Internet – verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen einer staatlichen Schutzpflicht, 2016, S. 61 ff.). Jedoch besteht bei einer Pflicht zur Preisgabe des Klarnamens das Risiko, die Meinungs- und Informations­­freiheit einzuschränken, wenn Menschen aus Angst vor Nachteilen davon absehen, eine Meinung zu äußern oder sich relevante, womöglich sensitive Informa­tionen zu beschaffen („chilling effect“). Andererseits wird vertreten, dass durch eine Klarnamenpflicht eine erhöhte Selbstreflektion den konstruktiven Meinungs­austausch sogar fördern könne (Griess, Klarnamenspflicht im Internet – verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen einer staatlichen Schutzpflicht, 2016, 74; Caspar ZRP 2015, 233 (235 f.) kommt mit genau gegenteiliger Argumentation zum gleichen Ergebnis und sieht den Meinungsaustausch gerade durch pseudonyme Nutzung gestärkt).

3          Die Entscheidung des BGH

Die Nutzungsbedingungen von Facebook verpflichten Nutzenden zur Angabe „desselben Namens, der auch im täglichen Leben verwendet“ wird (Punkt 3.1 der Nutzungsbedingungen, https://de-de.facebook.com/legal/terms?ref=pf, mit Stand vom 20.12.2020). Dieser pauschale Passus sei unwirksam, urteilte der III. Zivilsenat des BGH am 27.1.2022 in zwei Verfahren (Az.: III ZR 3/21 und III ZR 4/21) und hebt damit zwei Urteile des OLG München (OLG München GRUR 2021, 1099 Rn. 60 ff.; OLG München MMR 2021, 245 Rn. 56 ff.) teilweise auf. Die Bestimmung sei nicht zu vereinbaren mit geltenden Gesetzen. Der zum Zeitpunkt der Einbeziehung der Nutzungsbedingungen maßgebliche § 13 Abs. 6 S. 1 TMG verpflichtete Anbieter demnach, die Nutzung ihrer Dienste „anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist“. Die umfassende Würdigung habe ergeben, „dass es der Beklagten [gemeint ist Facebook; Anmerkung der Autorin] zwar nicht zumutbar gewesen ist, die Nutzung des Netzwerks zu ermöglichen, ohne dass der jeweilige Nutzer ihr zuvor – etwa bei der Registrierung – im Innenverhältnis seinen Klarnamen mitgeteilt hatte. Für die anschließende Nutzung der von ihr angebotenen Dienste unter Pseudonym ist die Zumutbarkeit jedoch zu bejahen“ (BGH, Pressemitteilung 13/2022 vom 28.1.2022). Damit wurden die Kläger zum Zeitpunkt ihrer Einbeziehung in den Nutzungsvertrag „entgegen den Geboten von Treu und Glauben“ iSv § 307 BGB unangemessen benachteiligt, da die Nutzungsbedingung mit dem Grundgedanken des § 13 Abs. 6 S. 1 TMG und der zugrundeliegenden Datenschutz-Richtlinie (DSRL) nicht in Einklang zu bringen sei.

4          Ist diese Entscheidung auf die aktuelle Rechtslage übertragbar?

Die Entscheidung des BGH ist zu begrüßen, beruht aber auf der bis 30.11.2021 geltenden Rechtslage des § 13 Abs. 6 S. 1 TMG. Es stellt sich also die Frage, ob die Entscheidung bloßen rechtshistorischen Wert hat oder auf aktuelles Recht übertragbar ist. Im Folgenden wird daher skizziert, ob die Pflicht zur Erhebung des Klarnamens nach TTDSG und gegebenenfalls nach DS-GVO zulässig wäre.

4.1         Rechtslage nach TTDSG

Das TTDSG beinhaltet Bestimmungen zum Fernmeldegeheimnis und zum Datenschutz bei Telekommunikations- und bei Telemediendiensten und ersetzt die bisherigen datenschutzrechtlichen Regelungen des Telekommunikationsgesetzes (TKG) und des Telemediengesetzes (TMG). Es ist ausweislich seines § 1 Abs. 3 TTDSG anwendbar auf „alle Unternehmen und Personen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzes eine Niederlassung haben oder Dienstleistungen erbringen oder daran mitwirken oder Waren auf dem Markt bereitstellen“. Was der weite Anwendungsbereich von „erbringen oder daran mitwirken“ im Einzelnen bedeutet, ist bisher nicht bis ins letzte Detail geklärt (kritisch Golland NJW 2021, 2238 (2239)). Das Bereitstellen oder Zugänglichmachen einer Social Network-Plattform ist jedenfalls regelmäßig als Erbringen einer Dienstleistung zu werten. Soweit ein Social Network eine Niederlassung in Deutschland hat – so wie beispielsweise Facebook (dazu ausführlich Nebel, Persönlichkeitsschutz in Social Networks, 2020, S. 135 ff. mwN) –, ist das TTDSG ohnehin anwendbar.

Der der BGH-Entscheidung zugrundeliegende § 13 Abs. 6 S. 1 TMG findet seine wortwörtliche Entsprechung in § 19 Abs. 2 S. 1 TTDSG. Der Gesetzgeber scheint hier „keine großen Reformen“ (Kühling/Sauerborn CR 2021, 271 Rn. 1) beabsichtigt zu haben, da das TTDSG im Lichte des Verhandlungsprozesses um die ePrivacy-VO möglicherweise nur von kurzer Geltungs­dauer sein wird. Die Bestimmung des Verhältnisses der Vorschrift zur DS-GVO wird dadurch ungleich schwieriger. Das TTDSG genießt Anwendungsvorrang vor der DS-GVO gemäß Art. 95 DSGVO, soweit Regelungen aus dem TTDSG die ePrivacyRL umsetzen. § 19 Abs. 2 S. 1 TTDSG entstammt jedoch nicht aus dem durch die ePrivacyRL gesetzten Rechts­rahmen, sondern übernimmt § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG, der wiederum § 4 Abs. 4-6 des TDDSG von 1997 aufgreift (s.a. Taeger/Gabel, DSGVO, BDSG, TTDSG/Moos, 4. Aufl. 2022, TTDSG § 19 Rn. 2 f.) und damit letztlich den Regelungsgehalt der DSRL von 1995, die durch die DS-GVO aufgehoben wurde. § 13 Abs. 6 S. 1 TMG stellte bereits keine Umsetzung der ePrivacyRL dar (zB DSK, Positionsbestimmung der Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder vom 26. April 2018; Jandt ZD 2018, 405 (407)), und auch für § 19 Abs. 2 S. 1 TTDSG hat der Gesetzgeber nicht dargelegt, inwiefern die Vorschrift eine Umsetzung der ePrivacyRL sein soll (BT-Drs. 19/27441, 37). § 19 Abs. 2 S. 1 TTDSG basiert damit nicht auf Regelungen der ePrivacyRL und genießt somit keinen Anwendungsvorrang gemäß Art. 95 DS-GVO.

Die Möglichkeit der anonymen und pseudonymen Nutzung von Telemedien und deren Bezahlung bei technischer Möglichkeit und Zumutbarkeit kann jedoch als eine bereichs­spezifische, risikoorientierte Konkretisierung der Systemgestaltung nach Art. 25 DS-GVO verstanden werden (so bereits Roßnagel, Das neue Datenschutzrecht/Geminn/Richter, § 8 Rn. 142 zu § 13 Abs. 6 TMG). Insbesondere das Erfordernis der Zumutbarkeit in § 19 Abs. 2 S. 1 TTDSG ist daher im Lichte des Art. 25 Abs. 1 DSGVO auszulegen, um die Unions­rechtmäßigkeit der Vorschrift zu wahren. Auch eine bereichsspezifische Konkretisierung der allgemeinen Vorgaben der Art. 24 und 32 DS-GVO kommt in Betracht (so Taeger/Gabel, DSGVO, BDSG, TTDSG/Moos, 4. Aufl. 2022, TTDSG § 19 Rn. 2 f.). In jedem Fall ist eine unions­rechtskonforme Auslegung des § 19 Abs. 2 S. 1 TTDSG notwendig; ohne eine höchstrichterliche Entscheidung besteht jedoch weiterhin das „Damoklesschwert der Unionsrechtswidrigkeit“ (Kühling/Sauerborn CR 2021, 271 Rn. 1) der Vorschrift.

4.2         Klarnamenpflicht nach den Vorgaben der DS-GVO

Aufgrund der möglicherweise begrenzten Lebensdauer des § 19 Abs. 2 S. 1 TTDSG sowie der nicht abschließend geklärten Unionsrechtsmäßigkeit der Vorschrift lohnt ein Blick auf die Frage, ob die Klarnamenpflicht den Vorgaben der DS-GVO entspricht (die folgenden Abschnitte entstammen im Wesentlichen Nebel K&R 2019, 148 (149 ff.) sowie Nebel, Persönlichkeitsschutz in Social Networks, 2020, S. 215 ff.).

Die DS-GVO adressiert weder eine ausdrückliche Pflicht noch ein Verbot zur Erhebung des Klarnamens in Online-Mediendiensten. Aus dem Grundsatz der Daten­minimierung in Art. 5 Abs. 1 lit. c DS-GVO ergibt sich, dass personenbezogene Daten auf das für den Zweck der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein müssen. Dies legt nahe, dass die Angabe des Klarnamens nur dort rechtmäßig sein kann, wo dieser für den angestrebten Zweck erforderlich ist. Allerdings steht es dem Verantwortlichen weitestgehend frei, den Zweck nach seinen Vorstellungen zu definieren. Die Ermöglichung der Rechtsverfolgung durch Erhebung des Klarnamens des Nutzers ist grundsätzlich ein legitimer Zweck. Der Grundsatz der Datenminimierung spricht also zunächst weder für noch gegen eine Klarnamenpflicht.

Auch der Grundsatz der Richtigkeit der Daten nach Art. 5 Abs. 1 lit. d DS-GVO spricht nicht für eine Klarnamenpflicht (so jedoch Konrad K&R 2018, 275 (276)). Zum einen verändert der Einsatz eines Pseudonyms den Personen­bezug nicht (vgl. Simitis/Hornung/Spiecker, Datenschutzrecht/Hansen, 1. Aufl. 2019, DS-GVO Art. 4 Nr. 5 Rn. 1). Auch sieht die DS-GVO verschiedentlich Pseudo­nymisierung als technische und organisatorische Maßnahme zum Schutz der Daten vor, etwa in Art. 32 Abs. 1 lit. a DS-GVO. Sie strebt also explizit eine Pseudonymisierung als Maßnahme zum Schutz von Daten an. Die Annahme, ein Pseudonym sei ein unrichtiges Datum, ist daher widersprüchlich, da dieses pseudonyme Datum sonst in der Folge zu berichtigen oder zu löschen wäre (so aber Konrad K&R 2018, 275 (276), der behauptet, die verpflichtende Angabe des Klarnamens sei bereits durch den Grundsatz der Datenrichtigkeit nach Art. 5 Abs. 1 lit. d DS-GVO impliziert).

Auch aus Art. 6 Abs. 1 lit. b DS-GVO ergibt sich nichts anderes. Der Klarname ist zur Vertrags­durchführung nicht erforderlich, da nach lit. b nur die Verarbeitung solcher Daten zulässig ist, die erforderlich sind, um sich als Nutzer einzuloggen sowie diejenigen Daten, die zur Aufrechterhaltung der Sitzung dienen.

Nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO ist die Erhebung des Klarnamens zulässig, wenn dieser zur Wahrung berechtigter Interessen des Verantwortlichen erforderlich ist und die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person nicht überwiegen. Berechtigte Interessen des Anbieters sind zum einen die Nutzbarkeit der Plattform sowie wirtschaftliche Interessen. Hinzukommen Rechtsverfolgungsinteressen der Allgemeinheit. Erforderlich ist die Datenverarbeitung, wenn die berechtigten Interessen nicht mit weniger intensiver Datenverarbeitung in gleichem Maße erreicht werden können (vgl. Erwägungsgrund 39 S. 9 DS-GVO; Simitis/Hornung/Spiecker, Datenschutzrecht/Schantz, 1. Aufl. 2019, DS-GVO Art. 6 Abs. 1 Rn. 100; Paal/Pauly, Datenschutz-Grundverordnung/Frenzel, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 6 Rn. 14, 29; Beck’scher Online-Kommentar DatenschutzR/Albers/Veit, 38. Ed. 1.11.2021, DS-GVO Art. 6 Rn. 66).

Als berechtigtes Interesse geben Anbieter häufig die Nutzbarkeit des Social Networks an. Der Klarname soll dazu dienen, dass sich Nutzende finden und vernetzen können. Nutzende können Social Networks jedoch auch dann zur Vernetzung mit Freunden und Bekannten nutzen, wenn sie lediglich ein Pseudonym verwenden, etwa ein in der Offline-Umgebung verwendeter Spitz­name oder eine Abwandlung des realen Namens, der diesen verzerrt, aber nicht unkenntlich macht. Haben Nutzer ein Interesse daran, ihren Klarnamen als Benutzername zu veröffentlichen, wie dies regelmäßig bei beruflichen Portalen der Fall ist, ergibt sich dies von ganz allein. Der Klarname ist also für die Nutzbarkeit des Social Networks nicht erforderlich.

Auch wirtschaftliche Interessen stellen ein berechtigtes Interesse iSd Vorschrift dar. Der Anbieter wird sich durch die Verwendung des Klarnamens eine bessere Identifizierbarkeit des einzelnen Nutzenden versprechen, die unabhängig von der sich regelmäßig wechselnden IP-Adresse ist und eine noch gezieltere personalisierte Werbung erlauben soll (Caspar ZRP 2015, 233 (234 f.) mwN). Da personalisierte Werbung regelmäßig die Geschäftsgrundlage eines Social Networks darstellt, sind Maßnahmen zur Sicherung dieser Geschäftsgrundlage als wirtschaftliches Interesse auch ein berechtigtes Interesse iSd Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO. Allerdings mangelt es an der Erforder­lichkeit des Klarnamens zur Erfüllung des wirtschaft­lichen Interesses. Zur Identifizierung des spezifischen Nutzenden ist der Klarname nicht notwendig, da nach dem Einloggen des Nutzenden dieser gegenüber dem Social Network auch mit einem Pseudonym hinreichend identifizierbar ist.

Auch die Einhaltung der Rechtsordnung sowie Rechts­verfolgungs­interessen der Allgemeinheit sind berechtigte Interessen, die Anbieter häufig als Argument für die Erhebung des Klar­namens vorbringen. In Social Networks zeigt sich täglich, dass Nutzende auch unter Klarnamen nicht vor beleidigenden, rassistischen oder anderen menschenverachtenden Kommentaren zurück­schrecken. Ob Klarnamen zu einer größeren sozialen Kontrolle führen, bleibt offen – zumindest steht zu befürchten, dass es ohne die bisher ausgeübte „Klarnamenpflicht“ in den Social Networks noch viel häufiger zu strafbaren Kommentaren kommen würde (Konrad K&R 2018, 275 (276); kritisch Caspar ZRP 2015, 233 (235)). Um volksverhetzende, beleidigende oder anderweitig rechtswidrige Handlungen zu ahnden, bedarf es jedoch keiner Klarnamenpflicht. Vielmehr können Straftäter auch bei Nutzung eines Pseudonyms identifiziert und verfolgt werden, da Anbieter den zuständigen Stellen gemäß §§ 21 und 22 TTDSG Auskunft über Bestandsdaten geben müssen. Wurde hingegen beispielsweise die IP-Adresse mithilfe technischer Mittel verschleiert, könnte ein Auskunftsersuchen erfolglos bleiben. In diesem Fall könnte die Klarnamenpflicht durchaus erforderlich und geeignet, um das Rechts­verfolgungs­interesse der Allgemeinheit zu wahren.

Die Erhebung des Klarnamens kann jedoch nur dann nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO gerechtfertigt werden, wenn nicht überwiegende Interessen oder Grundrechte und Grund­freiheiten der betroffenen Person entgegenstehen. Abzuwägen ist dabei insbesondere die informationelle Selbstbestimmung und das Recht auf Datenschutz sowie die Meinungsfreiheit aller Nutzenden, die sich in dem Social Network mit Klarnamen registrieren müssen, gegenüber dem Rechts­verfolgungsinteresse der Allgemeinheit, für den Fall, dass ein Nutzer bei Begehung einer Straftat seine IP-Adresse wirksam verschleiert hat. Grundsätzlich sind die abzuwägenden Grundrechte und Grundfreiheiten gleichrangig. Allerdings ist fraglich, ob das Risiko für die betroffenen Grundrechte jedes einzelnen Nutzenden und der organisatorische Aufwand, um die Identität der Nutzenden zweifelsfrei und rechtssicher zu dokumentieren, im Verhältnis steht, im Einzelfall einen Täter bezüglich einer begangenen strafbaren Handlung aufzudecken. Zum einen muss es dem Nutzenden möglich bleiben abzuwägen, ob für seine Zwecke ein Pseudonym ausreicht oder die Preisgabe des Klarnamens mehr Vorteile verspricht. Dies ist Kerngehalt der informationellen Selbst­bestimmung und sichert gleichzeitig die Ausübung der Meinungs- und Informations­freiheit. Zudem würde eine korrekt und rechtssicher umgesetzte Klarnamenpflicht vor allem aber eine gewissenhaft durchgeführte Identifizierung der Nutzer durch den Anbieter etwa mithilfe des elektronischen Personalausweises voraussetzen, die aber selbst bei Facebook bisher nicht umgesetzt wird. Und schließlich birgt dies die Gefahr, dass sich die angegebenen Klarnamen in der Hand weniger Konzerne mit großer Marktmacht konzen­trieren (Caspar ZRP 2015, 233 (236) spricht von „Schattenmelderegister“), die damit einem erheblichen Missbrauchspotenzial unterliegen. Im Ergebnis überwiegen damit die Interessen der betroffenen Person, sodass eine Erhebung des Klarnamens regelmäßig nicht über Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO gerechtfertigt werden kann (Nebel K&R 2019, 148 (152)). Auch andere Erlaubnistatbestände sind nicht erfüllt.

Allenfalls mithilfe einer Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 lit. a DS-GVO könnte der Klarname erhoben werden. Allerdings ist äußerst fraglich, ob eine solche Einwilligung freiwillig erteilt würde, insbesondere, wenn das Social Network aufgrund seiner Marktmacht und Verbreitung aus Sicht des Nutzenden alternativlos ist. Zudem unterliegt eine entsprechende allgemeine Nutzungsbedingung der AGB-Kontrolle, darf also den Nutzenden gemäß § 307 BGB nicht entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Wahrscheinlich würde eine entsprechende Klausel also der AGB-Kontrolle nicht standhalten, weshalb sich ein Anbieter nicht wirksam auf diese Klausel berufen kann und die Ermöglichung der pseudo­nymen Nutzung grundsätzlich einklagbar ist. Insbesondere die Frage der Ahndung von in Social Networks begangenen Straf­taten verdeutlicht demgegenüber aber auch, dass ein irgendwie gearteter Rückgriff auf die Identität eines Nutzers wünschenswert sein kann, um die Persönlichkeits­rechte anderer Nutzender zu schützen. Für Social Networks pauschal eine Klarnamen­pflicht zu verlangen, stellt hingegen eine unzulässige Bevorteilung der Anbieter dar, da die informationelle Selbstbestimmung der Nutzenden in der Abwägung nicht angemessen berücksichtigt wird. Die Pflicht, unter Klarnamen im Social Network auftreten zu müssen, ist damit abzulehnen. Um Rechts­verletzungen jedoch wirksam begegnen zu können, müssen Wege gefunden werden, eine Identifizierung der Nutzenden bei einer Rechtsverletzung zu ermöglich, ohne die Identität aller Nutzer in die Hand eines Anbieters zu legen.

5          Fazit

Die der BGH-Entscheidung zugrundeliegende Regelung besteht auch nach der neuen Rechtslage in § 19 TTDSG weiter.  Dieser ist – unionsrechtskonform ausgelegt – grundsätzlich anwendbar, wobei auch nach den Vorgaben der DS-GVO eine Klarnamenspflicht unzulässig ist. Mithin ist Nutzenden eine anonyme oder pseudonyme Nutzung von Social Networks zu ermöglichen; die nach wie vor bestehenden Nutzungsbedingungen von Facebook sind hinsichtlich der Verpflichtung zur Angabe des Klarnamens damit weiterhin unzulässig.